Britta, 50

Spinnen, Schnaken, alles Getier mit langen dünnen Beinen, davor hatte ich schon als Kind Angst. Sobald eines dieser Geschöpfe im Zimmer war, rief ich schreiend nach einem Entsorger. Heute kommt mir das ein wenig lächerlich vor, wenn man bedenkt, dass das Tierchen verschwindend klein und harmlos war. Aber ich weigerte mich standhaft mit einem noch so winzigen Spinnentier den Raum zu teilen.

In der Stadt lebend, war dies auch nur selten der Fall und kein wirkliches Problem. Das stellte sich erst ein, als ich das Reisen begann.

Meine erste Station nach dem Abitur, ein Kibbuz in Israel. Einfache Behausung, mein Bett nur wenige Zentimeter vom Erdboden entfernt. Der erste Schock in der Nacht, ein Tier krabbelt in meinen Schlafanzug, wach werde ich, weil sich ein Krabbeln auf meinem Rücken bemerkbar macht. Ich schreie. Ich springe auf, ich schüttele hektisch an meinem Oberteil. Eine Maus fällt raus und haut ab. Komischerweise bin ich erleichtert, ich hatte an eine riesige Spinne gedacht, das war mein wahrer Alptraum. Dennoch, die Mäuse waren nervig, auch wenn ich vor Erschöpfung irgendwann wieder einschlief.

Ich lernte also jeden Tag mein Bett nochmal neu zu inspizieren, als nächstes fand ich einen großen fetten schwarzen Tausendfüßler unter meinem Kopfkissen. Angewidert brachte ich den Kerl nach draußen, es gab keinen Helfer, nach dem ich rufen konnte. Dann begann die Feldarbeit. Avocados pflücken. Gekrabbel ohne Ende. Auf dem Weg zum Feld im Jeep kam mir aus dem Ersatzreifen eine Spinne entgegen, so eine hatte ich in Deutschland noch nicht gesehen, grün-braun und groß. Ich wollte schreien, beherrschte mich aber, ich wollte mir nicht die Blöße geben.

Es folgten weitere Reisen und weitere Spinnen. In Australien schlief ich in einem kleinen Backpacker, der genau an dem Tag als ich ankam, keinen weiteren Übernachtungsgast beherbergte. Ich war allein im ganzen Haus und schlief in einem leeren Vierbettzimmer. Ich hatte schon aus diesem Grund ein mulmiges Gefühl, das durch das Zirpen und Geraschel im Garten verstärkt wurde. Irgendwann nachts schlich ich mich in den Flur, um das Gemeinschaftsbad aufzusuchen – es war heiß, ich war barfuß, mit T-Shirt und kurzer Hose bekleidet.

Als ich aus dem Bad kam, saß genau über meiner Zimmertür eine gewaltige behaarte braun-schwarze Spinne, die mich aus zwei runden beweglichen Augen anstarrte.

Eine Spinne von solcher Größe hatte ich noch nie gesehen, geschweige denn ihr allein gegenübergestanden – barfuß. Erst erstarrte ich, dann sprang ich zurück. Vor Angst sie würde jetzt erst recht hinter mir herjagen, blieb ich wieder stehen. Was sollte ich tun?

Rauslaufen ohne Schuhe, keine gute Idee und wohin überhaupt. Stehen bleiben – aber es war Nacht, was sollte ich hier machen. Mein Bett, meine Sachen, alles war in dem Zimmer, das von dieser scheinbar immer größer werdenden Spinne bewacht wurde.

Es dauerte eine halbe Ewigkeit, mit innerem Zureden, mit genauem Beobachten und Versuchen das Verhalten der Spinne zu deuten, wagte ich dann irgendwann den Sprung zur Tür. Riss diese auf, knallte sie wieder hinter mir zu, schloss ab und stand atemlos mit klopfendem Herzen in meinem Schlafraum.

In dieser Nacht habe ich kein Auge zugetan, in Gedanken sah ich diese braunen Beine durch die Ritzen unter der Tür durchkrabbeln. Sich einen Weg bahnen, um mich doch noch zu besuchen und unter meine Decke zu krabbeln.

Am nächsten Morgen schien die Sonne, über der Tür, die ich sehr langsam öffnete, saß nichts mehr. Erleichtert lief ich in den Essraum, in dem die Lady des Backpackers gerade Kaffee kochte. Ich erzählte ihr von meinem Erlebnis. „Ach, die sind total harmlos, das sind Huntsman-Spinnen, die bauen keine Netze, sondern jagen ihre Beute, für Menschen sind sie aber ungefährlich.“

Beute jagen, ja, so bin ich mir in der Nacht auch vorgekommen, dachte ich. Später las ich noch mehr über die Tiere die im Durchschnitt 20 Zentimeter groß werden – aktuell wurde ein Tier gefunden, das sogar einen Durchschnitt von 40 Zentimetern hat.

Ich kann nur sagen, sogar beim Schreiben bekomme ich noch Gänsehaut.

Geholfen haben all diese Erlebnisse allerdings bei einem: Zu Hause kann ich über die Schnake im Badezimmer nur noch lächeln.

Geschrien habe ich seitdem auch nicht mehr und entsorge heute meine Spinnen daheim selbst. Passen sie unter ein Glas, werden sie lebend gefangen und aus dem Fenster geworfen. Sind sie doch zu groß, muss der Staubsauger her.

Huntsman sei Dank!