Wandern in den Bergen, auf schmalen Wegen am Abgrund, das kommt für mich nicht infrage. Auch Aussichtsplattformen, im schlimmsten Fall mit Glas- oder Gitterböden, gehen auf keinen Fall. Schon seit meiner Kindheit habe ich Höhenangst. Dass mir das erst in der Schulzeit aufgefallen ist, liegt wohl daran, dass meine Mutter das gleiche Problem hat. Wir haben zu Hause solche Situationen vermieden.
Beim Aufstieg auf den Kölner Dom habe ich es nur bis zu den Stufen geschafft, durch die man durchschauen kann, dann musste ich umdrehen. Auf den Eifelturm bin ich zwar hochgefahren, stand aber dann an die Wand gepresst in der Nähe der Aufzugtür. Genießen konnte ich das nicht.
Was aber noch schlimmer für mich ist, sind Menschen, die sich begeistert übers Geländer lehnen, um ein Foto zu machen, oder noch schlimmer, sich auf eine Mauer setzen, um ein Selfie zu machen. Da bekomme Schnappatmung. Ich sehe diese Leute von einem Windstoß in den Abgrund wehen, das ist richtiges Kopfkino. Am liebsten würde ich dann dorthin rennen und sie wegzerren. Es ist auch schon passiert, dass ich kurz davor war, ich muss mich da wirklich beherrschen.
Meine schlimmste Erinnerung ist die an einen Urlaub in Irland, wir waren bei den Cliffs of Moher, diese Steilklippen, die senkrecht aus dem Atlantik emporragen, für mich ein Alptraum. Besonders als mein Mann Andreas auf dem Bauch liegend an den Rand robbte, um in die Tiefe zu schauen. Mir blieb fast das Herz stehen. Ich hätte schreien können. Das Einzige, was half, war weggehen und am Kiosk einen Tee trinken. Dabei habe ich Stoßgebete zum Himmel geschickt, dass alles gut gehen möge. Ich hatte richtige Todesangst.
Warum ich mich trotzdem immer wieder solchen Situationen aussetze? Zum einen will ich verhindern, dass es schlimmer wird. Dass ich auch schon vielleicht im fünften Stock Panik bekomme und nicht erst im zehnten. Zum anderen hoffe ich, dass mit der Zeit ein Gewöhnungseffekt einsetzt.
Ich kann mit dieser Angst aber ganz gut leben, denn sie betrifft ja zum Glück nicht meinen Alltag. Wenn ich beruflich jeden Tag damit konfrontiert wäre, weil mein Büro in der 16. Etage in einem Haus mit Glasfassade liegen würde, wäre das sicherlich anders, dann müsste ich etwas dagegen tun.
Ich hatte nur einmal die Situation im Job, damals war ich Teamleiterin und meine Mitarbeiter wollten als Event in den Kletterwald – für mich der Horror. Als Vorgesetze wollte ich keine Schwäche zeigen und meine Angst zugeben, aber auch nicht mitfahren, um mich dann hilflos und schweißgebadet an einen Baumstamm zu pressen. Da verlieren auch die Kollegen den Respekt. Zum Glück konnte ich das anders lösen und es gab ein Alternativprogramm.
Auch wenn ich weiß, dass viele Situationen ungefährlich sind, ist die Phantasie stärker, ich komme von dem Gefühl nicht runter, dass ein Sog mich in die Tiefe ziehen könnte.
Am besten ist es, wenn ich mein eigenes Tempo mache, und selbst ausprobiere, was noch geht. Anderen empfehlen würde ich, sich immer mal wieder Situationen auszusetzen, die Angst machen, damit die Phantasie nicht übermächtig wird. Und wenn man etwas geschafft hat, wird man auch mutiger und gewinnt an Selbstbewusstsein. Dennoch, ganz verlieren werde ich das wohl nie.