Ich bin kein ängstlicher Mensch, eher eine Kämpferin, mutig und immer bereit, sich den eigenen Ängsten zu stellen. Aber es gibt gesellschaftliche Entwicklungen, die ich mit großer Sorge betrachte. Es sind beängstigende Ereignisse, die mich als Frau zu einem veränderten Verhalten zwingen, das macht mich wütend.
Als junge Frau bin ich nachts durch die Straßen von Frankfurt gelaufen, ohne mir Gedanken zu machen, ob das gefährlich ist oder nicht. Heute überlege ich sehr gut, wo ich lang gehe, welche Umwege ich lieber mache, damit ich heil nach Hause komme. Ich habe Angst vor unkontrollierter Gewalt, die insbesondere Frauen begegnet. Um Gruppen von jungen Männern, die mir im Dunkeln begegnen mache ich einen großen Bogen.
Warum? Das sind keine Hirngespinste, denn ich selbst habe sexuelle Übergriffe erlebt und kenne noch mehr Geschichten von Bekannten und Freundinnen. Gerade für meine Generation, die für die Rechte von Frauen und die Gleichberechtigung gekämpft haben, ist das eine rückschrittliche und gefährliche Entwicklung.
Es kann nicht sein, dass wir als Frauen wieder überlegen sollen, ob der kurze Rock nicht doch provozierend wirkt auf Männer, obwohl wir wissen, dass Übergriffe von Männern, mehr mit Macht als mit sexuellem Anreiz zu tun haben. Und doch: Ich habe mein Verhalten verändert, habe Vermeidungsstrategien entwickelt und beobachte genau. Ich versuche Situationen rational einzuschätzen und mein Verhalten darauf abzustimmen. Klug handeln, nicht tollkühn, ist meine Devise. Was geht und was ist zu gefährlich, das wäge ich ab. Und ich bin froh, dass wir in Deutschland einen guten Polizeiapparat haben, der uns schützt. Dennoch trage ich einen großen Schlüsselbund in der Tasche, für alle Fälle.
Aber ich will mich nicht von Ängsten bestimmen lassen, sondern kämpfe dagegen an. Mit Freunden mache ich einen Selbstverteidigungskurs, das bestärkt mich. Man lernt hier sehr viel über das eigene Verhalten und wie man seine Ängste überwinden kann. Für Frauen eine wirklich gute Investition!
Aber nicht nur Frauen sind Gewalt ausgesetzt, ein homosexueller Freund wurde schon zwei Mal überfallen, das macht mich wütend. Ich will nicht in einer Welt leben, in der man Angst haben muss, weil man nicht den Vorstellungen anderer entspricht.
Deswegen rate ich: Angst darf nie lähmen, sie muss zum Handeln führen. Mich macht Angst wütend, weil ich mich nicht von ihr bestimmen lassen will. So war ich schon immer, eine starke Frau.
Das kann nicht sein, dachte ich, als ich die Diagnose bekam: Brustkrebs, das geht nicht. Ich bin doch so ein lebensfroher Mensch, fresse nichts in mich rein, liebe das Leben. Warum ich? Erst der Schock, dann Angst, was wird werden. Zwei Jahre Achterbahn, zwei Jahre, um den Status quo wieder herzustellen. Eine neue Erfahrung für mich, auf der Stelle treten, nicht wissen, wie es ausgeht.
Der Glaube hilft mir, Gott legt nur so viele Steine in den Weg, wie ich auch aus dem Weg räumen kann. Ich denke viel über den Tod nach, versuche mich damit anzufreunden, mit dem möglichen Ende – aber auch mit der Gewissheit, alles bis zum letzten Atemzug zu tun, dass ich weiter lebe.
Vielen Sterbenden begegne ich auf dem Weg meiner Krankheit – viele Gespräche, die in den Stunden der Dunkelheit Kraft geben. Sich in Gottes Hand begeben, eine Gottergebenheit spüren. Die Gelassenheit gibt mir die Möglichkeit, mein Schicksal zu akzeptieren. Und dann jeden Tag einen Schritt nach dem anderen tun.
Im Handeln rational bleiben. Welche Ärzte gibt es, welche Heilungsmethoden, immer noch Ich bleiben mit der mir eigenen Stärke. Für die Seele: sich jeden Tag etwas Gutes gönnen, sich belohnen mit kleinen Dingen.
Es gibt Momente, die muss Jede und Jeder alleine durchstehen. Doch jede überwundene Situation macht mich stark für die nächste.
Und wenn es wirklich keine Hoffnung mehr gibt auf Heilung, dann würde ich sagen:
Lass es Dir gut gehen, verwöhne Dich, mach eine Reise und dann nehme Abschied und geh.