Thomas, 51

Als Extremkletterer ist man besonderen Situationen ausgesetzt. Da spielt Angst eine wichtige Rolle, Angst kann dein Freund sein oder dein Feind. Ich kenne Angst als ein mulmiges Gefühl, das aber beim Gehen oder Klettern verschwindet. Tut es das nicht, breche ich die Besteigung meist ab, es bewahrt mich vor einer Situation, für die ich noch nicht die Kompetenz besitze, auf die ich mich vielleicht nicht genug vorbereitet habe. Angst ist hier eine Art Schutzmechanismus, der mir sagt: Entscheide dich jetzt und mach keinen Fehler.

Angst als Warnung ist sinnvoll, sie darf aber nie überwältigen, sonst lähmt sie. Darum spreche ich lieber von Respekt, denn wenn ich wirklich Angst habe, dann kann ich gar nicht mehr losgehen

Auch nach meinem Absturz am Brendlberg, da bin ich 16 Meter im freien Fall die Felswand runter, haben mich viele gefragt, ob ich nicht Angst hätte, wieder zu klettern. Ich hatte eine Schädelfraktur und lag im Krankenhaus. Ich habe dieses Überleben dankend angenommen und dachte in keinem Moment ans Aufhören. Ich habe diese Verrücktheit in mir, die Begeisterung für das Unmögliche, ein Entdecker Gen, das mich antreibt. Ich möchte etwas tun, was eigentlich unmöglich erscheint und hier hat die Angst keinen Platz, auch nach dem Absturz nicht.

Ich habe hinterfragt, warum ich abgestürzt bin und erkannt, dass ich einen Fehler gemacht habe. Ich hoffe, dass ich diesen Fehler nicht nochmal machen werde, weil er mich das Leben kosten kann. Statt Angst zu haben, die mich am Klettern hindert, erfahre ich Klarheit und eine Dankbarkeit, dass ich noch am Leben bin. Dankbar, dass ich die Kraft habe, weiterzumachen.

Wir sollten uns weniger mit der Angst, was alles passieren kann, beschäftigen, sondern lieber nach vorne schauen und in das „Jetzt“ Energie legen. Beim Klettern geht es darum, mutig einen Schritt nach dem anderen zu gehen, das gilt auch für das Leben. Wer nur auf den Gipfel schaut, der bekommt vielleicht Angst, Angst davor überhaupt loszugehen, weil das Ziel so überwältigend wirkt. Auch im Leben fängt man immer von vorne an.

Ich hatte eine Nierentumorerkrankung, da wusste man erst nicht, wie es ausgehen wird. Aber statt mich mit einem möglichen Ableben zu beschäftigen, habe ich gesagt, heute lebe ich noch und mach das Beste daraus! Mach es wie beim Bergsteigen, gehe erst einmal den nächsten Schritt:  Ich blieb im Handeln, ließ mich von der Angst nicht lähmen. Ich habe in jedem meiner Schritte eine positive Energie gegeben und am Ende war das Glück an meiner Seite. Dieser Tumor war gutartig und diese Nachricht schenkte mir das Leben! Wieder einmal mehr war ich dankbar ein Leben als Familienvater, Ehemann und Bergsteiger leben zu dürfen!

Ich weiß, dass sich dort, wo ich klettere, viele unwohl fühlen würden. Das ist für Menschen, die nicht in der Senkrechten leben und denken, unfassbar. Das alles ist aber auch relativ! Für mich ist es unfassbar, als Top-Manager eine Firma zu leiten.

So macht jeder das, was seine Bestimmung ist. Und in diesem Bereich versucht man, seine Arbeit zu optimieren, das eigene Handeln zu hinterfragen und das Beste daraus zu entwickeln.

Ich will Mut machen, neue Wege einzuschlagen und Entdecker zu bleiben, das ist ein gutes Mittel gegen Angst. Meine Triebkraft ist die Neugier. Kraft und Mut gibt mir meine Familie, die Heimat und die Lebensfreude.

Wir können so viel Schönes und Geniales tun im Leben, wenn wir uns trauen und immer etwas mehr wagen, wenn wir uns Herausforderungen stellen und immer wieder einen Schritt weiter gehen und „Ja sagen“ zum Leben.

Meine Familie hat Vertrauen zu mir, dass ich „Ja sage“ zum Leben, nicht leichtfertig bin. Aber bei allem weiß man nie, wie es ausgeht. Darum ist mir wichtig, dass man im Guten auseinandergeht, nicht im Ärger oder Groll.

Vor einem großen Bergabenteuer bete ich, das gibt mir Kraft und Vertrauen.

Angst möchte ich nicht haben!